Arbeitszeiten in der Gefährdungsbeurteilung bewerten

Die Arbeitszeit der Beschäftigten eines Unternehmens ist in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (Merkmalsbereich: Arbeitsorganisation) für alle Beschäftigten zu bewerten.

Mögliche kritische Ausprägungen von Arbeitszeiten können insbesondere sein:

  •  wechselnde oder lange Arbeitszeit,
  •  ungünstig gestaltete Schichtarbeit,
  •  häufige Nachtarbeit,
  •  Überstunden größeren Ausmaßes,
  •  unzureichendes Pausenregime,
  •  Arbeit auf Abruf

Um eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitszeit vornehmen zu können, müssen Lage und Dauer von Arbeitszeit, betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit, Flexibilisierung von Arbeitszeit etc. erarbeitet werden.

Die Befunde des Stressreports (BauA 2013) belegen, dass folgende Belastungen, die aus Arbeitszeit sowie der Arbeitsverteilung resultieren, von den Beschäftigten als vorrangig erlebt werden:

  •  Länge und Lage der Arbeitszeit,
  •  Fragen der Arbeitsverdichtung,
  •  Aspekte der zeitlichen Flexibilisierung,
  •  Atypischer Arbeitszeitverteilung,
  •  kurzfristige Einsatzplanung etc.

Diese kommen vor allem bei Betrieben mit Schichtarbeit bzw. besonders belastenden Arbeitszeitmodellen zum Tragen. Beschäftigte mit langen Arbeitszeiten ermüden stärker, sind weniger konzentriert und aufmerksam und fühlen sich subjektiv erschöpfter. Dies hat zur Folge dass das Risiko für Unfälle steigt. Auch andere Parameter, die mit dem Unfallgeschehen in Verbindung stehen, verändern sich mit der Länge der Arbeitszeit. So sinken Wachheit, kognitive Leistung und damit Produktivität mit steigender Arbeitszeit ab.

Einige Tarifverträge bzw. Opt-out-Regelungen ermöglichen für ganze Branchen oder für einzelne Individuen eine Ausweitung von Arbeitszeiten, die kaum noch gesundheitsgerecht zu gestalten sind. Fehlende Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit (Entgrenzung) ist ein umfassendes Phänomen, das auch aus den Erfordernissen globalisierter Märkte resultiert. Niedrige Löhne führen oft zu einer Bereitschaft der Beschäftigten, längere Arbeitszeiten zu akzeptieren oder eine Zweitbeschäftigung aufzunehmen.

Erheben Sie arbeitszeitrelevante Betriebsdaten zur Anzahl und Art (Vollzeit, Teilzeit, Auszubildende, Leiharbeitnehmer, Jugendliche, geringfügig Beschäftigte, werdende Mütter) der Beschäftigten im Betrieb in Verbindung mit den jeweiligen Arbeitsbereichen (z.B. Büro, Produktion, Lager, Logistik, Außendienst) und Arbeitszeitsystemen (Schichtdienst, feste Arbeitszeit, Gleitzeit, Telearbeit, Vertrauensarbeitszeit, Sonn- und Feiertagsarbeit) und prüfen Sie im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zum Thema Arbeitszeit unter Beteiligung und Mitbestimmung ihrer Beschäftigten und Mitarbeitervertretung folgende Fragestellungen:

  •  Wird die Gestaltung der Arbeitszeit in der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung erfasst und bewertet?
  •  Welche Arbeitszeitformen/-modelle gibt es derzeit in ihrem Unternehmen?
  • Werden die Beschäftigten bei der Planung neuer Arbeitszeitmodelle ausreichend beteiligt?
  •  Gibt es verbindliche Bereitschaftszeiten?
  •  Von wem wird eine verbindliche Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit erwartet?
  • Kontrolliert der Arbeitgeber die Einhaltung der Arbeitszeit und steuert ggf. nach?
  •  In welchem Ausmaß kommt es vor, dass Überstunden geleistet werden müssen?
  •  Gibt es Überstundenregelungen?
  •  Können die Pausen den Planungen entsprechend genommen werden (Gestaltung des Pausenregimes)?
  •  Für wen gibt es häufiger Phasen sehr hoher Arbeitsdichte?
  •  Gibt es Hinweise auf negative Folgen durch hohe Arbeitsdichte, z.B. (Beinahe-)Unfälle, Fehlzeiten, Beschwerden, Qualitätsverluste, etc.)?
  •  Für wen kommt es zu Störungen/Unterbrechungen im Arbeitsablauf?
  •  Werden die Beschäftigten oder die Mitarbeitervertretung bei der Gestaltung der Arbeitszeit beteiligt?
  •  Zu welchem Zeitpunkt werden die Beschäftigten über ihre Arbeitszeiten, Schichtpläne, Arbeitseinsätze informiert?
  •  Werden bei der Planung der Arbeitszeiten auch Wochenenddienste, Urlaubszeiten sowie die Freizeitwünsche der Beschäftigten berücksichtigt? Gibt es individuelle Tauschmöglichkeiten?
  •  Wurden arbeitgeberseitig angemessene Maßnahmen ergriffen, um ungünstige Gestaltungsmerkmale der betrieblichen Arbeitszeit möglichst zu reduzieren?
  •  Werden die gesicherten arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse bei der Gestaltung der Schichtarbeit berücksichtigt?
  •  Wurden geeignete Maßnahmen ergriffen, um Störungen und Unterbrechungen der Arbeitsabläufe, die zu hohen Belastungen (Multitasking) und Mehrarbeit führen, zu vermeiden bzw. zu minimieren?
  •  Wurden Maßnahmen ergriffen, um Phasen hoher Arbeitsdichte zu minimieren?
  •  Wird gewährleistet, dass allen Beschäftigten mit Nachtarbeit die jeweilige arbeitsmedizinische Vorsorge aktiv schriftlich angeboten wird?
  •  Gibt es Tagesarbeitsplätze für nachdienstuntaugliche Beschäftigte?
  • Wurde die Überwachung der Arbeitszeiten auf verantwortliche Personen übertragen (insbesondere bei Filialen, Niederlassungen wichtig)
  •  Besondere Personengruppen, wie werdende Mütter, Jugendliche wurden berücksichtigt?
  •  Wird die Arbeitszeiten entsprechend Abweichungen von dem Arbeitszeitgesetz hinsichtlich Sonn- und Feiertagsarbeit, Überschreitung der Tageshöchstarbeitszeiten werden bei dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt beantragt?

Quelle: www.sifa-news.de
Autor: Stefan Johannsen, Dipl.-Biologe