Zeitarbeit - ein Erfolgsmodell

von Werner Stolz (05.11.2015)
Zeitarbeit hat sich in der deutschen Wirtschaft als eigenständige Branche etabliert. Zeitarbeitsfirmen überlassen den Kundenunternehmen ihre Arbeitnehmer im Rahmen einer doppelten Vertragsbeziehung: zum einen zwischen Zeitarbeitsfirma und Kundenunternehmen, zum anderen zwischen Zeitarbeitsfirma und Arbeitnehmer. Dabei gelten für Zeitarbeitnehmer Tarifverträge und Gesetze, sodass Arbeitsbedingungen, Entlohnung und andere berufliche Fragen eindeutig geregelt sind. Zeitarbeitnehmer haben also die gleichen Rechte wie alle abhängig Beschäftigten auch.
Für viele Unternehmen ist Zeitarbeit unverzichtbar, um betriebliche Flexibilität herzustellen. Die schnelle Verfügbarkeit ist insbesondere für produzierende Unternehmen wichtig, um Auftragsspitzen zu bewältigen und Konjunktur-schwankungen auszugleichen.
Empirische Untersuchungen zeigen: Mit dem Einsatz von Zeitarbeit ist ein Produktivitätsgewinn verbunden. Da vorwiegend große Industrieunternehmen zu den Nutzern gehören, wirkt sich dieser Effizienzgewinn auch positiv auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft aus und sichert auf diese Weise sogar Arbeitsplätze in anderen Branchen.
Jedoch muss die Zeitarbeit in Deutschland (anders als in den USA) gegen eine Reihe von Vorurteilen kämpfen:

Vorurteil 1: Zeitarbeit gefährdet die Stammbelegschaften

Dafür gibt es keinerlei Beleg, denn die Zahlen zeigen ganz das Gegenteil: Inzwischen haben 46 Prozent der 18- bis 64-jährigen Bundesbürger eine klassische unbefristete Vollzeitstelle – vor zehn Jahren waren es erst knapp 41 Prozent.
Im Maschinenbau ging laut dem "Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau" zwischen 2011 und 2013 die Zahl der Zeitarbeitnehmer um 1.000 zurück, während die Stammbelegschaft um mehr als 50.000 Köpfe wuchs.
Die Kunden der Zeitarbeitsbranche spielen also nicht die eigenen Mitarbeiter gegen andere aus – zumal sie das Spezialwissen der Zeitarbeitnehmer meist für zeitlich begrenzte Projekte benötigen.
Des Weiteren setzen vor allem Unternehmen mit Personalengpässen häufig auf Zeitarbeit wie Untersuchungen der Bertelsmann Stiftung zeigen. Sie trauen den auf die Personalsuche spezialisierten Zeitarbeitsfirmen zu, vakante Stellen schneller zu besetzen. So bleibt zum Beispiel eine Stelle im Maschinenbau ohne den Einsatz von Zeitarbeitnehmern 117 Tage unbesetzt, mit Zeitarbeitern aber nur 108 Tage.

Vorurteil 2: Drehtüreffekt für Arbeitslose

Zwei Drittel der 2014 neu eingestellten Zeitarbeiter hatten zuvor keinen Job. Bei jedem Zehnten lag der letzte Job länger als ein Jahr zurück.
Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit stellt keine andere Branche anteilig so viele Arbeitslose ein wie Zeitarbeitsfirmen.
Ein Drehtüreffekt ist bei der Zeitarbeit in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht festzustellen – schnell rein und wenig später wieder raus ist die Ausnahme. Auf lange Sicht kann der Einstieg über die Zeitarbeit also die Chancen erhöhen, in eine klassische Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Zeitarbeit ist damit ein Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt. Das gilt vor allem für Geringqualifizierte. Denn mehr als die Hälfte aller Stellen in der Branche sind Jobs, für die in der Regel keine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich ist. In der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil an Hilfskräften dagegen bei nur 14 Prozent.
Beschäftigte in der Zeitarbeit sammeln durch ihren Einsatz in verschiedenen Unternehmen wichtige Praxiserfahrungen. Sie erwerben außerdem jobspezifisches Fachwissen. Das verbessert ihre langfristigen Beschäftigungsperspektiven.

Vorurteil 3: Zeitarbeitsfirmen unterlaufen Tarifverträge

Tarifverträge sichern nahezu jedes Arbeitsverhältnis in der Zeitarbeit durch Mindeststandards ab, 2012 haben die Sozialpartner zudem eine verbindliche Lohnuntergrenze festgelegt.
Sind Zeitarbeitnehmer mindestens vier bis sechs Wochen in einem Betrieb eingesetzt, haben sie je nach Branche Anrecht auf Lohnzuschläge. Die Zuschläge steigen stufenweise und erreichen in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der Chemie nach neun Monaten 50 Prozent.

Vorurteil 4: Zeitarbeitskräfte werden entlassen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden

In der Zeitarbeitsbranche sind 87 Prozent der Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt – über alle Branchen hinweg trifft dies nur auf drei von vier sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu.
Mehr als 80 Prozent der Zeitarbeitskräfte haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Ihr Beschäftigungsverhältnis besteht also in der Regel auch nach dem Ende eines Einsatzes weiter. Auch wenn der Arbeitgeber nicht sofort eine neue Aufgabe hat, zahlt er den Lohn fort.

Vorurteil 5: Zeitarbeitnehmer haben keine Chance auf Übernahme vom Kunden

Die Zahlen zeichnen ein anderes Bild. Drei von vier Unternehmen nutzen laut einer 2014 veröffentlichten Umfrage des Dienstleisters Page Personnel Zeitarbeit als Rekrutierungsinstrument für das eigene Unternehmen. Einem Viertel der eingesetzten Spezialisten wurde ein Übernahmeangebot gemacht.
Die Erprobung von Arbeitskräften wird von vielen Unternehmen als Hauptargument für den Einsatz von Zeitarbeitern genannt.
Hinzu kommt: Etwa ein Drittel der bei der Arbeitsagentur gemeldeten offenen Stellen stammt von Zeitarbeitsfirmen – diese übernehmen somit für viele Unternehmen eine Vorauswahl der Arbeitssuchenden und machen sie über Weiterbildungen für die Kundenunternehmen noch attraktiver.