Berufskrankheiten – Von der Verdachtsanzeige bis zu Anerkennung

Eine Berufskrankheit ist eine Erkrankung die ein Versicherter durch seine berufliche Tätigkeit erleidet und die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet ist. Als Berufskrankheit gilt eine Erkrankung dann, wenn Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sie durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung (§9 Abs.1 SGB VII).
Diese Krankheiten sind in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt, die als Anhang in der Berufskrankheiten-Verordnung enthalten ist. Diese Liste enthält zurzeit etwa 80 Positionen (letzte Änderung zum 1.1.15).
Sie wurde erstmals im Jahr 1925 erstellt und wird seitdem entsprechend dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt ergänzt. Vorschläge für die Veränderung der Liste werden von einem Beratungsgremium aus Arbeitsmedizinern erarbeitet. Unter bestimmten, schwierig zu erfüllenden Bedingungen, können auch Berufskrankheiten, die nicht in dieser Liste stehen, anerkannt werden. Sozialgesetzbuch VII (SGB) §§ 9, 103, 193, 200 und Berufskrankheitenverordnung (BKV)
Ob die wissenschaftlichen Voraussetzungen für (die Anerkennung) neue Berufskrankheiten vorliegen, prüft der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Berufskrankheiten im konkreten Fall rechtsverbindlich festzustellen, ist jedoch Aufgabe der Unfallversicherungsträger:
Eine Listenkrankheit ist aber noch keine anerkannte Berufskrankheit. Jede Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit wird jedoch als Einzelfall geprüft.

Nachgewiesen werden muss immer, ob

  •  die betreffende Person die schädigende Einwirkung bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlitten hat (Arbeitsgeschichte) und ob
  •  die Erkrankung auf diese schädigende Einwirkung zurückzuführen ist (medizinisches Gutachten).
  •  Eine Meldung über den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige) kann jeder bei der zuständigen Berufsgenossenschaft machen.
  •  Arbeitgeber und Ärzte sind verpflichtet, eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige bei der zuständigen Berufsgenossenschaft oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle (Gewerbearzt/-ärztin) vorzunehmen, wenn ihrer Ansicht nach ein begründeter Verdacht vorliegt (§193, § 202 SGB VII).

In der Praxis hat es sich bewährt, dass der behandelnde Arzt des Betroffenen eine Meldung bei der zuständigen Berufsgenossenschaft vornimmt.

Das Anerkennungsverfahren

Nach einer Verdachtsmeldung auf Vorliegen einer Berufskrankheit beginnt die Berufsgenossenschaft von sich aus mit den Ermittlungen. Die erste Phase des Verfahrens bis zu einem Bescheid wird Feststellungsverfahren genannt.

Die wichtigsten Schritte in diesem Verfahren sind:

  •  Fragebogen an den Versicherten und den oder die Arbeitgeber, um die Tätigkeiten und die damit im Zusammenhang stehenden Belastungen zu ermitteln,
  •  Eigene Ermittlungen der Berufsgenossenschaft zu den Belastungen am Arbeitsplatz,
  •  Arbeitsmedizinische Begutachtung,
  •  Bescheid über Anerkennung oder Ablehnung einer Berufskrankheit,
  •  Liegen nach Ansicht der Berufsgenossenschaft ausreichend Daten vor, wird die Entscheidung vorbereitet.

Widerspruch und Klage vor den Sozialgerichten

Bei einem ablehnenden Bescheid besteht die Möglichkeit, innerhalb der üblichen Frist von vier Wochen einen Widerspruch einzulegen. Erfolgversprechend ist ein Widerspruch jedoch nur, wenn er fachlich begründet ist.

Anerkennung bedeutet nicht automatisch Rente

Bei der Anerkennung einer Berufskrankheit wird gleichzeitig festgelegt, ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliegt und welches Ausmaß die MdE hat.
So können Berufskrankheiten auch grundsätzlich anerkannt werden, ohne dass sich hieraus eine finanzielle Entschädigungsleistung ergibt.
Eine Rente wird erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 Prozent gezahlt.
Die grundsätzliche Anerkennung hat allerdings zur Folge, dass die Berufsgenossenschaften für alle medizinischen Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen, die für diese Schädigung wichtig sind, aufkommen.

Hindernisse für eine Anerkennung

  •  Viele Berufskrankheitenverfahren führen nicht zu einer Anerkennung, weil die Belastungen am Arbeitsplatz nicht als ausreichend angesehen wurden. Ein Grund kann darin liegen, dass die Erfassung aller Belastungen nicht sorgfältig genug vorgenommen wurde (u.a. Expositionsverzeichnis nach § 14 GefStoffV)
  •  Unzureichende Qualität des medizinischen Zusammenhangsgutachtens Der Gutachter bezieht sich immer auf die Beschreibung der Arbeitsbedingungen nach Aktenlage. Ist diese unzureichend, kann dies bereits zu einer Empfehlung für eine Ablehnung führen.
  •  fachliche Kompetenz des Gutachters sowie falsche Loyalität gegenüber ihren Auftraggebern

Wichtig für Beschäftigte

  •  Beratung bei der Auswahl der Gutachter in Anspruch nehmen,
  •  Betriebs- und Personalräte müssen immer dann über Berufskrankheiten informiert werden, wenn die Berufsgenossenschaften ermitteln,
  •  Besonders bei der Erhebung der Arbeitsgeschichte, kann der Betriebs- oder Personalrat einen wichtigen Beitrag zu einer Verbesserung der Anerkennungschancen leisten.
  •  Der Betriebsrat kann dem Betroffenen anbieten, ihn bei der Akteneinsicht und bei der Formulierung eines Widerspruchs zu unterstützen.
  •  Überlegen, gleichzeitig einen Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen, um erforderlichenfalls die Arbeitssituation zu verbessern.


Quelle: www.sifa-news.de
Autor: Stefan Johannsen, Dipl.-Biologe